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Absolutionsvollmacht für den Beichtvater für eine infolge von Abtreibung zugezogene, nicht festgestellte Exkommunikation latae sententiae

vom 4. November 1983

(ABl. 1983, 150)

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Mit dem am 27. November 1983 in Kraft tretenden neuen Codex Iuris Canonici gilt im Bereich des Erz-Bistums Freiburg für die Absolution in der Beichte von der Exkommunikation wegen Abtreibung folgende Regelung.
Wenn ein Priester im Dringlichkeitsfall des can. 1357 § 1 von der Exkommunikation des can. 1398 wegen Abtreibung absolviert hat, wird auf den gemäß can. 1357 § 2 erforderlichen Rekurs an den Diözesanbischof verzichtet mit der Weisung, dass der Beichtvater selbst dem Pönitenten eine angemessene Buße und die Wiedergutmachung des etwa entstandenen Ärgernisses auferlegt.
Die Deutsche Bischofskonferenz hat auf ihrer Vollversammlung vom 19. bis 22. September 1983 in Fulda empfohlen, dass in allen ihren Diözesen hinsichtlich der Absolution bei Abtreibung einhellig in dieser Weise verfahren wird.
Zum Verständnis der Regelung sei auf die hier maßgeblichen Normen des neuen Codex Iuris Canonici verwiesen:
Can. 1398 stellt die Strafnorm auf: „Wer eine Abtreibung vornimmt, zieht sich mit erfolgter Ausführung die Tatstrafe der Exkommunikation zu.“ Als Tatstrafe (poena latae sententiae) tritt die Exkommunikation mit der Tat von selbst ein, ohne dass es einer Verhängung durch den kirchlichen Obern bedürfte. Außer der Mutter, die die Abtreibung veranlasst, und dem Arzt, der sie vornimmt, verfallen aber auch alle Mittäter, „wenn ohne ihr Handeln die Straftat nicht begangen worden wäre“ (can. 1329 § 2), von selbst der gleichen Exkommunikation; so etwa der Kindesvater oder Angehörige, falls ohne ihr Drängen die Mutter die Abtreibung nicht hätte vornehmen lassen.
Die Aufhebung der Exkommunikation wegen Abtreibung steht, da diese Strafe nicht dem Apostolischen Stuhl reserviert ist, an sich dem Diözesanbischof zu (can. 1355 § 2). Doch sieht der Codex die Möglichkeit vor, dass der Beichtvater im Dringlichkeitsfall schon von sich aus innerhalb der Beichte von der Exkommunikation absolviert und hierauf auch die sakramentale Lossprechung von den Sünden erteilen kann (can. 1357 § 1). Der Dringlichkeitsfall ist nach dem genannten Paragraphen immer dann gegeben, wenn es dem Pönitenten hart wäre, ohne sakramentale Lossprechung in seiner schweren Sünde solange zu verbleiben, bis er die Absolution von der Exkommunikation beim zuständigen Obern, hier beim Diözesanbischof erlangt hätte.
Doch muss der Beichtvater, wenn er in derartigem Dringlichkeitsfall von der Exkommunikation absolviert, gemäß can. 1357 § 2 dem Pönitenten die Pflicht auferlegen, dass nachträglich noch ein Rekurs, in der Regel an den zuständigen Diözesanbischof, eingelegt wird und die darauf ergehende Entscheidung abzuwarten ist. Den Rekurs kann der Pönitent selbst vornehmen. An seiner Statt kann aber auch der Beichtvater an den Bischof rekurrieren; dann freilich wegen des Beichtgeheimnisses, ohne den Namen des Pönitenten zu nennen; in letzterem Fall müsste der Pönitent nach etwa vier Wochen zum Beichtvater zurückkehren, um die vom Bischof auferlegte Weisung entgegenzunehmen. Die genannte Rekurspflicht gilt „sub poena reincidentiae (can. 1357 § 2), so dass bei ihrer schuldhaften Unterlassung die nachgelassene Strafe der Exkommunikation von selbst wieder einträte.
Auf diese an sich bestehende Rekurspflicht ist nun mit der eingangs wiedergegebenen Regelung innerhalb des Erz-Bistum Freiburg verzichtet. Wohl ist der absolvierende Beichtvater dann gehalten, seinerseits dem Pönitenten eine der Schwere der Straftaten angemessene Buße und die Wiedergutmachung des etwa entstandenen Ärgernisses aufzuerlegen.
Für den dargelegten Verzicht auf den Rekurs sind allein seelsorgliche Gründe maßgebend. Pastorale Erfahrung lehrt, dass gerade beim Delikt der Abtreibung, das der Pönitent im besonderen Maß von völliger Verschwiegenheit umgeben wissen will, die Pflicht eines weiteren Rekurses blockierende Hemmungen auslöst, die selbst den Bußwilligen allzu leicht zurückschrecken lassen. Der Seelsorger wird oft genug dankbar sein, wenn er, ohne den Ernst des Delikts im Mindesten abschwächen zu wollen, von sich aus dem Pönitenten abschließend die Aussöhnung gewähren kann.
Keineswegs soll mit dem erwähnten Verzicht auf den Rekurs das Delikt der Abtreibung irgendwie verharmlost werden. Ganz im Gegenteil, es ist die erklärte Absicht des neuen Codex Iuris Canonici die Schwere dieses Delikts hervorzukehren. Denn bei der Erarbeitung des neuen Codex hat man die früher recht hohe Zahl der von selbst eintretenden Exkommunikation bewusst auf ein Minimum reduziert. Außer den fünf dem Apostolischen Stuhl reservierten Fällen (cann. 1367, 1370 § 1, 1378 § 1, 1382, 1388 § 1) sind nur noch zwei Canones mit von selbst eintretender Exkommunikation übriggeblieben, nämlich can. 1364 für Apostasie, Häresie und Schisma sowie eben can. 1398 für Abtreibung. Die zahlreichen anderen von selbst eintretenden Exkommunikationen des früheren Rechts entfallen mit dem neuen Codex. Wenn man, obschon man so viele Exkommunikationen gestrichen hat, trotzdem für die Abtreibung an dieser schwersten Kirchenstrafe festhält, zeigt dies zur Genüge, wie ernst die Kirche diesen ungeheuerlichen Angriff gegen das ungeborene Leben im Mutterschoße nimmt. Mit solcher Strafnorm, die als eine der ganz wenigen aufrechterhalten blieb, dokumentiert die Kirche vor aller Welt, wie sie über die Tötung des ungeborenen Kindes denkt und urteilt.
Der Beichtvater, an den sich der Pönitent um Absolution wendet, wird ihm auch ohne die Rekurspflicht die ganze Schwere seines Tuns ins Bewusstsein rufen, ihm aber bei echter Reue und Umkehr die volle Aussöhnung mit Gott und der Kirche gewähren können.
Freiburg, den 4. November 1983
Erzbischof