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Bischöfliche Richtlinien für katholische Schwangerschaftsberatungsstellen

vom 25. Oktober 2000

(ABl. 2000, S. 395)

Der Schutz des menschlichen Lebens von seinem Beginn bis zum Ende ist ein Gebot Gottes. Auf dieser Grundlage leistet die Katholische Kirche Beratung und Hilfe für Frauen, Paare und Familien in Schwangerschaftsfragen und Schwangerschaftskonflikten. Diese Beratungstätigkeit gehört zum Selbstverständnis und zum eigenen Auftrag der Katholischen Kirche.
Nach einem jahrelangen Prozess des Ringens um den kirchlichen Beratungsdienst im Rahmen der staatlichen Gesetze haben die deutschen Bischöfe, nicht zuletzt auf Weisung von Papst Johannes Paul II., entschieden, die Schwangerschaftsberatung weiter intensiv fortzusetzen, Beratungsbescheinigungen, die eine der Voraussetzungen für eine straffreie Abtreibung sind, jedoch nicht mehr auszustellen. Die Katholische Kirche wird also weiterhin ihre öffentliche Verantwortung wahrnehmen und die Beratungstätigkeit auch im staatlichen gesetzlichen Rahmen (Schwangerschaftskonfliktgesetz [SchKG] vom 21. 8. 1995) durchführen. Dies geschieht in Verantwortung gegenüber dem ungeborenen Kind und der in Not geratenen Frau und ihrer Familie. Der kirchliche Einsatz für den Schutz des ungeborenen Lebens und das Angebot zur Beratung und Hilfe für schwangere Frauen in Not- und Konfliktsituationen werden auch weiterhin aufrecht erhalten.
Für katholische Schwangerschaftsberatungsstellen gelten folgende Richtlinien:
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§ 1
Zielsetzung und Aufgaben

( 1 ) Ziel der Beratung ist der Schutz des ungeborenen Kindes durch Unterstützung der Frau (und ihrer Familie) in allen Phasen der Schwangerschaft sowie nach der Geburt des Kindes.
( 2 ) Die Beratung hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft sowie zur Annahme ihres Kindes zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen, insbesondere wenn sie sich in einer Not- und Konfliktsituation befindet. Sie stärkt das Bewusstsein der Frau, dass das ungeborene Kind in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und dass das menschliche Leben von Anfang an unverfügbar ist. Zugleich soll deutlich gemacht werden, dass aus der Sicht des christlichen Glaubens niemand über das Leben des ungeborenen Kindes verfügen darf.
( 3 ) Zur Beratung gehören Information und Begleitung in Fragen von Sexualität und Familienplanung.
Die präventive Arbeit soll in Kooperation mit anderen Personen und Institutionen, wie etwa Schulen, gemeinsam getragen werden. Damit sollen auch Zielgruppen wie Jugendliche, junge Erwachsene und Eltern erreicht werden.
( 4 ) Als Begleitung der Pränataldiagnostik wird eine psychosoziale Beratung angeboten, insbesondere bei einer möglichen Behinderung des Kindes.
( 5 ) Das Angebot der Beratung gilt auch im Fall einer medizinischen oder kriminologischen Indikation.
( 6 ) Zu den Aufgaben katholischer Beratungsstellen gehört auch die Beratung und Begleitung von Frauen nach einer Abtreibung.
( 7 ) Beratung und Begleitung wird auch nach einer Fehl- oder Totgeburt durchgeführt.
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§ 2
Durchführung der Beratung

( 1 ) Die Beratung erfolgt ganzheitlich und umfassend. Das Leben des ungeborenen Kindes kann nur mit der Mutter und durch sie geschützt werden. Die Beratung soll der Frau helfen, ihrer Verpflichtung gegenüber dem ungeborenen Kind gerecht zu werden. In einfühlsamem Gespräch und durch fachliche Klärung der Konfliktsituation will die Beratung gemeinsam mit der Frau Wege aus der Konfliktlage suchen und das Vertrauen in eine gemeinsame Zukunft mit dem Kind stärken.
( 2 ) Die Beratung muss auf die Situation der ratsuchenden Frau eingehen unter Berücksichtigung ihrer gesamten Lebensverhältnisse in persönlicher, familiärer, beruflicher, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht. Sie muss der Frau Gelegenheit geben, sich mit den physischen und psychischen Folgen einer Abtreibung auseinanderzusetzen.
( 3 ) Mit Einverständnis der Schwangeren und sofern es sinnvoll erscheint, soll die Beratung weitere Personen einbeziehen, vor allem den Vater des Kindes und andere Angehörige, die zur Überwindung der Not- und Konfliktlage beitragen können.
( 4 ) Soweit erforderlich, sollen mit Einvernehmen der Schwangeren weitere sachverständige Personen hinzugezogen werden, insbesondere Seelsorger, Ärzte, Psychologen, Sozialpädagogen/Sozialarbeiter und Juristen.
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§ 3
Vermittlung von Hilfen

( 1 ) Die Beratung schließt die Gewährung und Vermittlung der zur Verfügung stehenden Hilfen für Schwangere, Mütter/Väter und Kinder ein, die ein Leben mit dem Kind erleichtern. Eine längerfristige Begleitung von Mutter und Kind über die Geburt hinaus wird angeboten.
( 2 ) Die zugesagten Hilfen können in einem Beratungs- und Hilfeplan ausgewiesen werden.
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§ 4
Grenzen der Beratung

Es ist mit dem Schutzkonzept der Beratung nicht vereinbar,
  • Ratsuchende auf Einrichtungen hinzuweisen, die Beratungsbescheinigungen ausstellen, die eine der Voraussetzungen für eine straffreie Abtreibung sind,
  • Ratsuchende auf Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen hinzuweisen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen,
  • Anträge zur Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen auszulegen, auszufüllen oder dabei unterstützend mitzuwirken,
  • sich durch Gutachten, Stellungnahmen oder Erteilung von Auskünften an einer ärztlichen Indikationsfeststellung oder deren Vorbereitung zu beteiligen.
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§ 5
Unentgeltlichkeit

Die Beratung ist unentgeltlich.
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§ 6
Fachpersonal

In der Schwangerschaftsberatungsstelle soll mindestens eine qualifizierte Fachkraft hauptberuflich tätig sein. Sie muss nach Fähigkeit und Erfahrung die Eignung für diese Beratung haben und über umfassende Kenntnisse in den sozialen Hilfemöglichkeiten verfügen.
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§ 7
Verschwiegenheit

Über alle in der Beratung anvertrauten Angelegenheiten ist Verschwiegenheit zu bewahren.
Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beratungsstellen haben sich über die einschlägigen Rechtsvorschriften gründlich zu informieren, insbesondere über die Verschwiegenheitspflicht (§ 203 Abs. 1 Ziff. 4 und 4 a StGB), das Zeugnisverweigerungsrecht (§§ 53 Abs. 1 Ziff. 3 a, 53 a StPO) und das Beschlagnahmeverbot (§ 97 StPO).
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§ 8
Fortbildung, Supervision, Erfahrungsaustausch

Die Träger der Beratungsstellen sorgen dafür, dass sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die spezifische Zusatzqualifikation hinaus ständig fortbilden.
Die von den Diözesen, den Diözesancaritasverbänden, dem Deutschen Caritasverband und dem Sozialdienst katholischer Frauen angebotenen oder empfohlenen Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen sollen entsprechend den Erfordernissen wahrgenommen werden.
Die Tätigkeit der Beratungsstellen soll durch eine regelmäßige Supervision begleitet werden.
Die katholischen Beratungsstellen verpflichten sich zu regelmäßigem Erfahrungsaustausch.
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§ 9
Pastorale Begleitung

Im Hinblick auf die besonderen Anforderungen der Schwangerschaftsberatung, vor allem in Konfliktsituationen, ist über die Fort- und Weiterbildung hinaus das Angebot einer kontinuierlichen pastoralen Begleitung notwendig, das die Diözese sicherstellt.
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§ 10
Beratungszeiten und Telefondienst

( 1 ) Die Beratungsstellen und ihre Beratungszeiten werden öffentlich bekannt gemacht.
( 2 ) Darüber hinaus soll ein Telefondienst ratsuchenden schwangeren Frauen die Kontaktaufnahme und eine kurzfristige Beratung ermöglichen.
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§ 11
Statistik

( 1 ) Jede Beratung einer Schwangeren ist statistisch festzuhalten. Hierbei sind Schwangerenberatung und Schwangerschaftskonfliktberatung getrennt zu erfassen. Schwangerschaftskonfliktberatung setzt ein, wenn die beratene Frau im Beratungsgespräch eine Abtreibung in Erwägung zieht.
( 2 ) Beim Deutschen Caritasverband (Freiburg) wird eine Gesamtstatistik geführt.
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§ 12
Kirchliche Anerkennung der Beratungsstellen

( 1 ) Die katholischen Beratungsstellen bedürfen der kirchlichen Anerkennung. Die kirchliche Anerkennung erfolgt nach Anhörung des Diözesancaritasverbandes durch den zuständigen Diözesanbischof.
( 2 ) In dem Antrag auf Anerkennung durch den Diözesanbischof hat sich der Träger schriftlich zu verpflichten, dass die Beratungsstelle entsprechend diesen Richtlinien tätig ist.
( 3 ) Der Träger einer Beratungsstelle darf nicht gleichzeitig Einrichtungen betreiben, mittragen noch ideell oder finanziell fördern, die Beratungsbescheinigungen ausstellen, die eine der Voraussetzungen für eine straffreie Abtreibung sind. Ebenfalls darf er kein eigenes Personal für diese Einrichtungen freistellen oder beurlauben.
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§ 13
Verpflichtung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Alle in den katholischen Beratungsstellen tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verpflichten sich schriftlich auf die Einhaltung dieser Richtlinien.
Diese Erklärung (Anlage I) ist zu den Personalakten zu nehmen.
Die Nichteinhaltung dieser Richtlinien hat arbeitsrechtliche Konsequenzen.
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§ 14
Überprüfung

( 1 ) Der Diözesanbischof veranlasst im Abstand von drei Jahren eine Überprüfung der Beratungsstelle im Hinblick auf die Qualität der Arbeit und die Einhaltung dieser Richtlinien.
( 2 ) Die kirchliche Anerkennung wird widerrufen, wenn gegen die Zielsetzung der Beratung und gegen diese Richtlinien verstoßen wird.
( 3 ) Die Anerkennung und der Widerruf der Anerkennung werden im Amtsblatt der Diözese bekannt gemacht.
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§ 15
Inkrafttreten

( 1 ) Diese Richtlinien werden zum 1.1. 2001 in Kraft gesetzt.
( 2 ) Sie treten an die Stelle der „Vorläufigen Bischöflichen Richtlinien für katholische Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen nach § 219 StGB in Verbindung mit den §§ 5-7 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG)“ vom 21. 11. 1995.
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Anlage 1

Name
Anschrift
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Erklärung

Hiermit erkläre ich, dass ich den Text der Bischöflichen Richtlinien für katholische Schwangerschaftsberatungsstellen vom 25. 10. 2000 erhalten habe.
Ich verpflichte mich auf die Einhaltung dieser Richtlinien und nehme zur Kenntnis, dass ihre Nichteinhaltung arbeitsrechtliche Konsequenzen hat.
Ort, Datum
Unterschrift