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Ordnung des Lehrbeanstandungsverfahrens bei der Deutschen Bischofskonferenz

vom 21. September 1972

vom 21. September 1972, zuletzt geändert am 4. Mai 1981 (ABl. 1981 S. 144)

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Vorbemerkung

Das Lehrbeanstandungsverfahren soll dem zuständigen Diözesanbischof helfen, sein Lehr- und Hirtenamt wahrzunehmen; einem Autor, der sich in seiner Lehre von Seiten eines Bischofs zu Unrecht beanstandet sieht, soll es den nötigen Rechtsschutz geben.
Das Verfahren setzt die eigene Zuständigkeit und Verantwortung des Bischofs voraus. In der Regel wird sich der Bischof selbst ein Urteil bilden und entscheiden. Wo er es für notwendig hält, steht es ihm frei, ein Lehrbeanstandungsverfahren zu beantragen. Auch ein Autor wird ein Lehrbeanstandungsverfahren nur beantragen, wenn die anderen Möglichkeiten zur Beilegung des Konfliktes erschöpft sind.
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I.

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§ 1

Ziel des Lehrbeanstandungsverfahrens ist:
  1. Feststellung, ob Lehren eines katholischen Autors der kirchlichen Glaubenslehre (vgl. Vaticanum I, DS 3011; Vaticanum II, Lumen gentium 25 und Dignitatis humanae 14) widerstreiten oder sie verfälschen;
  2. Entscheidungshilfe für den Ordinarius über zu treffende Maßnahmen.
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§ 2

Gegenstand des Lehrbeanstandungsverfahrens können nur vom Autor selbst schriftlich fixierte oder von ihm anerkannte öffentliche Äußerungen sein (Bücher, Artikel, Vorträge, Vorlesungen usw.).
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§ 3

Eröffnung und Durchführung des Lehrbeanstandungsverfahrens haben gegen Maßnahmen des Ordinarius keine aufschiebende Wirkung.
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§ 4

Anträge zur Eröffnung eines solchen Verfahrens können nur stellen:
  1. ein Diözesanbischof oder ein diesem rechtlich gleichgestellter Ordinarius, und zwar:
    1. der Ordinarius proprius des Autors;
    2. der Ordinarius des Ortes, an dem der Autor seine Tätigkeit ausübt oder ausüben soll;
  2. ein Autor, der sich in seiner Lehre von Seiten eines Ordinarius gemäß Buchst. a) zu Unrecht beanstandet sieht.
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§ 5

Bevor der Ordinarius oder ein Autor einen Antrag zur Durchführung eines Lehrbeanstandungsverfahrens stellen kann, muss ein Gespräch zwischen dem gemäß § 4 beteiligten Ordinarius oder einem von ihm Beauftragten und dem Autor stattfinden mit dem Ziel, die Frage so zu klären, dass ein Verfahren sich erübrigt. Das Ergebnis des Gesprächs ist in einer Niederschrift, die nach Möglichkeit von beiden Gesprächspartnern unterzeichnet wird, festzuhalten.
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§ 6

Verweigert der Autor, gegen den ein Lehrbeanstandungsverfahren durchgeführt werden soll, die Teilnahme an diesem Gespräch oder an dem gegebenenfalls nachfolgenden Verfahren, so kann ohne seine Beteiligung vorgegangen werden.
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II.

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§ 7

Die Organe zur Durchführung des Lehrbeanstandungsverfahrens sind:
  1. die Kommission für Fragen der Glaubens- und Sittenlehre (Glaubenskommission) der Deutschen Bischofskonferenz;
  2. eine Theologenkommission;
  3. eine Bischofskommission.
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§ 8

Die Glaubenskommission hat in diesem Verfahren die folgenden Aufgaben:
  1. Sie prüft, gemessen am Gewicht der zur Frage stehenden Sache, die Berechtigung des Antrages und entscheidet über Eröffnung oder Nichteröffnung des Verfahrens; gegebenenfalls entscheidet sie dabei über die Anrufung gemäß § 22 a;
  2. sie bestellt die Theologenkommission (gemäß § 9 c), die Berichterstatter (gemäß § 12) und gegebenenfalls den Anwalt des Autors (gemäß § 18);
  3. sie berät die Bischofskommission auf deren Antrag vor ihrer Entscheidung (gemäß § 27 d);
  4. Das Recht der Glaubenskommission, sich aus eigener Initiative oder auf Antrag eines Bischofs gutachtlich zur Übereinstimmung der Auffassungen eines Autors mit der kirchlichen Lehre zu äußern, wird durch ihre Funktion im Lehrbeanstandungsverfahren nicht berührt.
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§ 9

  1. Die Theologenkommission besteht aus fünf Theologen, die für die in dem jeweiligen Verfahren zur Entscheidung stehenden Fragen sachkompetent sind.
  2. Diese müssen durch einen Doktorgrad in der katholischen Theologie oder im kanonischen Recht für einen kirchlichen Lehrauftrag an einer Hochschule qualifiziert sein.
  3. Die Mitglieder der Theologenkommission werden nach freiem Ermessen von der Glaubenskommission ernannt. Diese wird sich bemühen, Personen auszuwählen, die sowohl dem beteiligten Ordinarius als auch dem Autor persönlich fernstehen. Der beteiligte Ordinarius und der Autor haben das Recht, innerhalb von 14 Tagen bei der Bischofskommission gegen Mitglieder der Theologenkommission Befangenheitseinrede vorzubringen. Über diese entscheidet endgültig die Bischofskommission.
  4. Die Theologenkommission wählt aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter. Der Vorsitzende hat die Beratungen zu leiten und für ihren ordnungsgemäßen Ablauf zu sorgen.
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§ 10

Die Theologenkommission hat die folgenden Aufgaben:
  1. Sie prüft die beanstandeten Äußerungen des Autors;
  2. sie würdigt die Stellungnahme der Berichterstatter, der am Verfahren Beteiligten und sonstige Gutachten;
  3. sie diskutiert die beanstandeten Lehren mit dem Autor und seinem Anwalt;
  4. sie gibt der Bischofskommission einen protokollarischen Bericht über Verlauf und Ergebnis der Untersuchungen;
  5. sie gibt der Bischofskommission als Entscheidungshilfe ein begründetes Gutachten darüber ab, ob die in Frage stehenden Äußerungen des Autors der kirchlichen Glaubenslehre widerstreiten oder sie verfälschen (vgl. § 1 a).
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§ 11

Die Theologenkommission hat das Recht, Gutachten anzufordern oder Berater hinzuzuziehen.
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§ 12

Aus der Reihe der für ein Verfahren zuständigen Theologenkommission bestellt die Glaubenskommission zwei Berichterstatter. Sie sollen nach Möglichkeit im Einvernehmen mit dem beteiligten Ordinarius und dem Autor bestimmt werden. Die Berichterstatter haben die Aufgabe, Stellungnahmen über die beanstandeten Lehren und sonstige den Fall betreffende Fragen für die Theologenkommission zu verfassen.
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§ 13

  1. Die Bischofskommission besteht aus fünf Bischöfen, die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz sind.
  2. Die Bischofskommission wird von der Deutschen Bischofskonferenz für die Dauer von fünf Jahren bestellt. Gleichzeitig bestellt die Deutsche Bischofskonferenz drei weitere Bischöfe, die in bestimmter Reihenfolge als Ersatz für ausfallende Mitglieder der Bischofskommission eintreten.
  3. Die Bischofskommission wählt aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter.
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§ 14

  1. Kein Bischof kann bei ein und demselben Lehrbeanstandungsverfahren sowohl der Theologenkommission als auch der Bischofskommission angehören.
  2. Der im Sinne von § 4 a an einem Verfahren beteiligte Bischof kann für das betreffende Verfahren weder Mitglied der Theologenkommission noch Mitglied der Bischofskommission sein.
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§ 15

Der Ordinarius und der Autor haben das Recht, innerhalb von 14 Tagen bei der Bischofskommission gegen Mitglieder der Bischofskommission Befangenheitseinrede vorzubringen. Über diese entscheidet die Bischofskommission unter Ausschluss des betroffenen Mitglieds. Über eine Befangenheitseinrede gegen die Mehrheit der Mitglieder der Bischofskommission entscheidet die Deutsche Bischofskonferenz unter Ausschluss der betroffenen Bischöfe.
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§ 16

Eingeleitete Verfahren sind in der gleichen Besetzung zu Ende zu führen, auch wenn inzwischen die Amtszeit der Bischofskommission gemäß § 13 abgelaufen ist; dies gilt auch für den Fall, dass ein Bischof infolge Emeritierung als Mitglied aus der Bischofskonferenz ausscheidet.
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§ 17

Die Bischofskommission hat die folgenden Aufgaben:
  1. Sie entscheidet über Befangenheitseinreden (gemäß § 9 c und § 15);
  2. sie entscheidet über Anträge auf Einstellung des Verfahrens (gemäß § 25);
  3. sie entscheidet, ob die in Frage stehenden Äußerungen des Autors der kirchlichen Glaubenslehre widerstreiten oder sie verfälschen (vgl. § 1 a);
  4. sie macht dem Ordinarius Vorschläge für seine Maßnahmen;
  5. sie beschließt über die Veröffentlichung ihrer Entscheidung (gemäß § 33).
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§ 18

In jedem Verfahren muss dem Autor ein Anwalt zur Seite stehen, der einen Doktorgrad in der katholischen Theologie oder im kanonischen Recht besitzt. Der Autor hat das Recht, diesen Anwalt frei zu wählen. Nimmt er dieses Recht nicht in Anspruch, wird von der Glaubenskommission ein Anwalt bestellt.
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§ 19

Die Aufgabe des Anwaltes ist es, den Autor zu unterstützen. Dies geschieht insbesondere dadurch, dass er
  1. in einer Stellungnahme den vom Autor gemeinten Sinn der in Frage stehenden Äußerungen herausstellt und die Aspekte vorträgt, die dafür sprechen, dass die Äußerungen des Autors der kirchlichen Glaubenslehre nicht widerstreiten und sie nicht verfälschen;
  2. auf die im Verfahren vorgetragenen Einwände antwortet;
  3. den Autor in Verfahrensfragen berät.
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§ 20

Der beteiligte Ordinarius hat das Recht, einen theologischen Berater zuzuziehen.
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III.

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§ 21

Antrag auf Eröffnung eines Verfahrens kann innerhalb von 14 Tagen nach erfolglosem Ausgang des Gesprächs gemäß § 5 gestellt werden. Der Antrag ist zu begründen und an den Vorsitzenden der Glaubenskommission zu richten; die notwendigen Dokumente und Unterlagen sind beizufügen.
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§ 22

  1. Der Vorsitzende der Glaubenskommission prüft, ob der Antrag, den in dieser Verfahrensordnung genannten Voraussetzungen entspricht. Gegen seine Entscheidung kann die Glaubenskommission angerufen werden.
  2. Der Vorsitzende beruft alsbald eine Sitzung der Glaubenskommission ein, die vor Ablauf von zwei Monaten nach Eingang des Antrages stattfinden muss. Er kann zu deren Vorbereitung aus der Kommission einen Berichterstatter bestellen.
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§ 23

  1. Die Glaubenskommission kann die in § 8 genannten Akte nur nach ordnungsgemäßer und fristgerechter Einberufung (d. i. 14 Tage vorher) vornehmen. Sie trifft ihre Entscheidung bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder mit einfacher Mehrheit der Abstimmenden.
  2. Die Glaubenskommission entscheidet über Eröffnung oder Nichteröffnung des Verfahrens gemäß § 8 a.
  3. Wird die Eröffnung des Verfahrens beschlossen, so hat die Glaubenskommission auf derselben Sitzung alle Entscheidungen zu treffen, die die Durchführung des weiteren Verfahrens sicherstellen (vgl. insbesondere § 8 b).
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§ 24

  1. Die Theologenkommission soll spätestens einen Monat nach der Beschlussfassung der Glaubenskommission zusammentreten.
  2. In der Theologenkommission findet auf der Grundlage der Stellungnahme des beteiligten Ordinarius und des Autors sowie der Stellungnahmen der Berichterstatter und des Anwalts eine Aussprache statt. Bei dieser Aussprache haben der Ordinarius, der sich vertreten lassen kann, sein theologischer Berater, der Autor und sein Anwalt Rederecht.
  3. An der darauf folgenden Beratung nehmen ausschließlich die Mitglieder der Theologenkommission teil. Am Schluss dieser Beratung hat jedes Mitglied der Theologenkommission seine Stimme abzugeben und zu begründen. Die Theologenkommission trifft ihre Feststellung mit Stimmenmehrheit; Enthaltungen gelten als Nein-Stimmen. Über die Beratung und ihr Ergebnis ist ein Protokoll zu fertigen und zu den Akten zu nehmen.
  4. Die Theologenkommission ist für die Abstimmung gemäß § 10 e beschlussfähig nur bei Anwesenheit von wenigstens 4 Mitgliedern; für sonstige Abstimmungen bei Anwesenheit von wenigstens 3 Mitgliedern.
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§ 25

Die Theologenkommission hat für die Dauer ihrer Beratungen das Recht, durch Mehrheitsbeschluss bei der Bischofskommission unter Angabe der Gründe die Einstellung des Verfahrens zu beantragen. Gibt die Bischofskommission diesem Antrag nicht statt, so hat die Theologenkommission ihre Aufgaben gemäß § 10 zu erfüllen.
Ebenso haben der Ordinarius und der Autor, die das Verfahren beantragt haben, im Verlauf des Verfahrens das Recht, bei der Bischofskommission unter Angabe der Gründe die Einstellung des Verfahrens zu beantragen.
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§ 26

Das Protokoll des Verlaufs und der Ergebnisse der Beratungen ist innerhalb eines Monats mit allen Unterlagen der Bischofskommission zuzustellen. Diese hat innerhalb zweier Monate nach Erhalt des Protokolls zur Beratung dieser Sache zusammenzutreten.
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§ 27

Die Bischofskommission bildet sich ihr Urteil:
  1. auf Grund der schriftlichen Unterlagen;
  2. auf Grund einer mündlichen Beratung;
  3. auf Grund eines Gesprächs mit dem beteiligten Ordinarius, der sich vertreten lassen kann, und eines Gesprächs mit dem Autor; dabei ist auf Antrag des Ordinarius der theologische Berater und auf Antrag des Autors der Anwalt hinzuzuziehen.
  4. gegebenenfalls auf Grund einer Beratung in der Glaubenskommission;
  5. auf Grund einer begründeten Stimmabgabe jedes Mitglieds.
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§ 28

Die Bischofskommission entscheidet:
  1. bezüglich § 17 c-d in Anwesenheit von wenigstens vier Mitgliedern; bei anderen Fragen in Anwesenheit von wenigstens drei Mitgliedern;
  2. bezüglich § 17 c mit einer Mehrheit von wenigstens dreiviertel der abgegebenen Stimmen; Enthaltungen gelten als Nein-Stimmen;
  3. bei allen anderen Abstimmungen mit einfacher Mehrheit.
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§ 29

Ein Protokoll des Verlaufs und des Ergebnisses der Beratung der Bischofskommission ist anzufertigen und von allen Mitgliedern zu unterzeichnen.
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§ 30

Die Entscheidung der Bischofskommission wird mit ihrer Begründung dem beteiligten Ordinarius zugestellt, zugleich mit einem Vorschlag der zu treffenden Maßnahmen.
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§ 31

Die Entscheidung der Bischofskommission wird mit ihrer Begründung dem Autor zugestellt.
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§ 32

Ein Rekurs des Autors an die S. C. pro Doctrina Fidei hat gegen Maßnahmen, die der Ordinarius auf Grund der Entscheidung fällt, keine aufschiebende Wirkung.
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§ 33

Nach getroffener Entscheidung bestimmt die Bischofskommission, ob und in welcher Weise diese Entscheidung zu veröffentlichen ist.
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§ 34

Die Eröffnung eines Lehrbeanstandungsverfahrens sowie dessen Ergebnis teilt der Vorsitzende der Glaubenskommission unverzüglich der S. C. pro Doctrina Fidei und dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz mit.
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IV.

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§ 35

  1. Ist von der S. C. pro Doctrina Fidei ein förmliches Lehrbeanstandungsverfahren gemäß Dekret der S. C. pro Doctrina Fidei vom 15. Januar 1971 (AAS 63, 1971, 234–236) eingeleitet worden, so kann in der gleichen Frage gegen denselben Autor ein Lehrbeanstandungsverfahren nach der vorliegenden Ordnung nicht eröffnet werden.
  2. Ein Lehrbeanstandungsverfahren nach der vorliegenden Ordnung kann nicht durchgeführt werden, wenn es um Verweigerung oder Entzug der kirchlichen Unterrichtserlaubnis oder der Missio canonica für Lehrkräfte mit der Fakultas „Katholische Religionslehre“ geht. Für diese Fälle gelten ausschließlich die von der Deutschen Bischofskonferenz beschlossenen Rahmenrichtlinien und die Rahmengeschäftsordnung für die Erteilung der kirchlichen Unterrichtserlaubnis und der Missio canonica für Lehrkräfte mit der Fakultas „Katholische Religionslehre“.
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§ 36

Das Verfahren ist nicht öffentlich.
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§ 37

Der beteiligte Ordinarius und sein Berater sowie der Autor und sein Anwalt haben Einsicht in die Akten, Stellungnahmen und Dokumente, die zur Entscheidung in der Theologenkommission und in der Bischofskommission führen. Vor der Einsichtnahme müssen die Beteiligten sich schriftlich zur Geheimhaltung verpflichten.
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§ 38

Die Stellungnahmen des Autors, der Berichterstatter und der übrigen am Verfahren Beteiligten (gemäß §§ 18 und 20) und andere Gutachten sind schriftlich zu verfassen und zu den Akten zu geben.
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§ 39

Alle im Verfahren aufgekommenen Akten sind im Sekretariat der Bischofskonferenz aufzubewahren.
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§ 40

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Anwaltskosten trägt der Verband der Diözesen Deutschlands.
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§ 41

Diese Verfahrensordnung tritt mit Wirkung vom 1. April 1981 in Kraft.