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Vereinbarung zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Katholischen Kirchenfiskus der Erzdiözese Freiburg, badischem Anteils, zur Klärung von Zweifelsfragen, die bezüglich der Verpflichtungen des Landes aus der Innehabung von säkularisiertem Kirchengut entstanden sind

vom 28. Januar 1956

(ABl. 1956, S. 412)

Bekanntmachung des Erzbischöflichen Ordinariats Freiburg i. Br. über den Umfang der Baulast im Rahmen der domänenärarischen Baupflicht an badischen Kirchen
vom 22. Februar 1956

Zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Kath. Kirchenfiskus der Erzdiözese Freiburg, bad. Anteils, ist unter dem 28. 1. 1956 die nachfolgend abgedruckte Vereinbarung abgeschlossen worden. Hierzu hat das Erzb. Ordinariat unter dem 20. Jan. 1956 Nr. 398 die Zustimmung erteilt.
Während der Bonndorfer Vergleich vom 12./22. 7.1927 die neuartigen Kultbedürfnisse behandelt, regelt die neue Vereinbarung die neuartigen Baubedürfnisse der Kirchen, zu denen der Staat kraft Gesamtrechtsnachfolge aus der Säkularisation von inkorporiertem Pfarrkirchenvermögen baupflichtig ist. In Anlehnung an die Begriffebildung des Bonndorfer Vergleichs unterscheidet die Vereinbarung auch bezüglich der Baupflicht zwischen altvorhandenen Baubedürfnissen, die mit neuartigen Mitteln befriedigt werden, und zwischen neuartigen Baubedürfnissen (§ 4 der Vereinbarung).
Altvorhandene Baubedürfnisse, die durch ein neuartiges Mittel zu befriedigen sind, übernimmt der Staat voll (§ 5 Abs. 1 der Vereinbarung). Hierzu gehören insbesondere die Stromversorgungsanlage für die Kirche, der elektrische Motor mit Gebläse für die Orgel, die elektrische Läuteanlage für die Kirchenglocken, der elektrische Uhrenaufzug mit den jeweils dazugehörigen Leitungen (§ 5 Abs. 2 der Vereinbarung).
Für neuartige Baubedürfnisse übernimmt der Staat die Kosten mit 60 %, die Pfarrkirchengemeinde mit 40 % (§ 6 der Vereinbarung). Hier handelt es sich hauptsächlich um die Heizungsanlage für Kirchen, wobei die Wahl der Anlage (elektrische Heizung, Koksheizung, Ölheizung) nach den örtlichen Gegebenheiten durch die Kirchengemeinde im Einvernehmen mit dem Staatl. Hochbauamt zu treffen ist (§ 6 Abs. 2 der Vereinbarung).
Die übrigen modernen Einrichtungen: elektrischer Liedanzeiger, Lautsprecheranlage und Schwerhörigenanlage wollte der Staat als Kultbedürfnisse behandelt wissen. Sie sind daher nach den Grundsätzen des Bonndorfer Vergleichs zu behandeln, d. h. die Kosten sind im Verhältnis 60 % : 40 % zwischen Staat und Pfarrkirchengemeinde zu teilen. Die Kosten der Lampen (Beleuchtungskörper) zählen zu den altvorhandenen Kultbedürfnissen und sind daher- soweit sie das Maß des Angemessenen nicht übersteigen – vom Staat ganz zu tragen (§ 7 der Vereinbarung).
Die staatliche Baupflicht zu den Pfarrhäusern ist in der Vereinbarung nicht behandelt. Es besteht aber zwischen Staat und Kirche Übereinstimmung, daß sich die staatliche Baupflicht auf eine angemessene Ausstattung im Sinne des modernen Bedürfnisses erstreckt.
Die Pfarrkirchengemeinden, zu deren Kirche oder Kapelle der Staat baupflichtig ist, werden angewiesen, sich nunmehr nach den Bestimmungen der neuen Vereinbarung zu richten. In Zweifelsfällen oder bei gegensätzlicher Auffassung zwischen den Stiftungsräten und den staatlichen Hochbauämtern ist dem Erzb. Oberstiftungsrat unverzüglich Bericht zu geben.
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Vereinbarung

Das Land Baden-Württemberg,
vertreten durch das Finanzministerium Baden-Württemberg in Stuttgart,
und
der Katholische Kirchenfiskus der Erzdiözese Freiburg, bad. Anteils, vertreten durch den Erzbischöflichen Oberstiftungsrat in Freiburg,
schließen zur Klärung von Zweifelsfragen, die bezüglich der Verpflichtungen des Landes aus der Innehabung von säkularisiertem Kirchengut entstanden sind, folgende Vereinbarung
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§ 1

Die Unterscheidung der kirchlichen Bedürfnisse in Kult- und Baubedürfnisse bleibt aufrecht erhalten.
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§ 2

Die Befriedigung der Kultbedürfnisse richtet sich weiterhin nach dem Bonndorfer Vergleich vom 12. 7. 1927.
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§ 3

Als Baubedürfnisse sind im Gegensatz zu den Kultbedürfnissen diejenigen kirchlichen Bedürfnisse anzusehen, zu deren Befriedigung bauliche Maßnahmen notwendig sind, mit der Folge, daß die entsprechenden Sachen wesentliche Bestandteile des Kirchengebäudes werden. Altar, Kanzel, Kirchengestühl, Orgel, Kirchenglocken und Kirchenuhr gelten, falls sich die staatliche Pflicht im Einzelfall auf sie erstreckt, als Baubedürfnisse.
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§ 4

Wie bei den Kultpflichten (Bonndorfer Vergleich) soll auch bei den Baupflichten zwischen altvorhandenen Bedürfnissen, die mit neuartigen Mitteln befriedigt werden, und neuartigen Bedürfnissen unterschieden werden.
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§ 5

Ist ein altvorhandenes Baubedürfnis, das das Land zu befriedigen hat, durch ein neuartiges Mittel zu befriedigen, so wird der zur Beschaffung und Instandhaltung des neuartigen Mittels erforderliche Aufwand vom Lande getragen.
Die Stromversorgungsanlage für die Kirche, der elektrische Motor für die Orgel, die elektrische Läuteanlage für die Kirchenglocken und der elektrische Uhrenaufzug mit den dazugehörigen Leitungen stellen neuartige Mittel zur Befriedigung altvorhandener Baubedürfnisse dar.
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§ 6

Tritt bei einer Kirche, zu der das Land baupflichtig ist, ein neuartiges Baubedürfnis auf, so übernimmt das Land 60 %, die Kirchengemeinde 40 % des zur Befriedigung dieses Baubedürfnisses erforderlichen Aufwands.
Wo das Land nur zu einem Teil einer Kirche baupflichtig ist, gilt Abs. 1 auch nur für diesen Teil.
Die Heizungsanlage einer Kirche stellt ein neuartiges Baubedürfnis dar, wenn sie der baulichen Erhaltung des Kirchengebäudes dient, oder wenn sie zum Schutze der Gesundheit der Teilnehmer am Gottesdienst erforderlich ist.
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§ 7

Bei dem elektrischen Liedanzeiger, dem Lautsprecher, der Schwerhörigenanlage und den Lampen handelt es sich nicht um Baubedürfnisse. Ob diese Sachen neuartige Kultbedürfnisse bzw. neuartige Mittel zur Befriedigung altvorhandener Kultbedürfnisse darstellen, richtet sich nach dem Bonndorfer Vergleich.
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§ 8

Ob ein künftig neu auftauchendes Baubedürfnis durch ein neuartiges Mittel (§ 5) zu befriedigen bzw. als neuartiges Baubedürfnis (§ 6) zu behandeln ist, wird von Fall zu Fall im Wege der Ergänzung dieser Vereinbarung geklärt.
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§ 9

Die Leistungspflicht des Landes ruht, solange der dem Land nicht obliegende Kostenanteil ungesichert ist.
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§ 10

Die Leistungspflicht des Landes ruht, soweit und solange ein Baubedürfnis von dritter Seite befriedigt wird.
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§ 11

Der Aufwand, der für die Befriedigung neuartiger Baubedürfnisse und für die Beschaffung und Instandhaltung neuartiger Mittel zur Befriedigung altvorhandener Baubedürfnisse vor dem 1. 4. 1955 entstanden ist, fällt nicht unter diese Vereinbarung.
Dies gilt nicht für die Fälle, in denen Übereinstimmung darüber bestand, daß die Kirchengemeinde nur vorläufig leistet.
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§ 12

Mindert sich ein Baubedürfnis nach Menge oder Art, so mindert sich die Baupflicht des Landes entsprechend.
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§ 13

Ist das Land nur subsidiär baupflichtig, so ändert sich hieran durch diese Vereinbarung nichts. Hat das Land auf Grund seiner subsidiären Baupflicht zu leisten, so leistet es nach den Bestimmungen dieser Vereinbarung.
Stuttgart, Freiburg, den 28. Januar 1956
Finanzministerium Baden-Württemberg:
gez. Dr. Frank (L. S.)
Erzbischöflicher Oberstiftungsrat
gez. Dr. Ehret (L. S.)